Die Stimmung der Aussichtslosigkeit des Erwachsenwerdens, in einem damals noch geteilten Berlin. Die Clubs, das Leben, die Straße, der Bahnhof, die Drogen.
David Bowie singt Heroes. Die Lebenslust, die in einem aufsteigt, sich von allen systemischen Zwängen zu entreißen, um einen Funken Freiheit zu verspüren. Diese porträtierte Jugend wurde Teil der eigenen Jugend. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo.
Die Erzählung, die sich zuerst auf ein Buch beruft, später zu einem Film adaptiert wurde, schildert autobiografisch das Leben der 14-jährigen Christiane F., ihrer ersten großen Liebe - Detlef und ihrem Szene-Freundeskreis. Verzweifelt suchten sie alle ihren Platz in einer zerrütteten Gesellschaft. Ihre Frustration drücken sie mit Heroin weg.
Was macht diese Faszination aus?
In der Schule wurde das über Drogenkonsum aufklärende Buch zur Pflicht. Der Film sollte abschrecken, bewirkte jedoch das Gegenteil. Mädchen wollten mit Henna gefärbte fettige Haare und eine College Jacke, auf der “Bowie“ über den Rücken stand.
Der Heroin Chic zog sich bis in die 90er Jahre weiter. Kate Moss wurde zu ihrer Ikone ernannt. Blass, dürr, androgyn, kindlich. Filme wie Trainspotting, Requiem for a Dream und Basketball Diaries reihten sich in die Kategorie der Heroin Lifestyle Filme ein.
2018 brachte Raf Simons mit seiner Menswear Fall/Winter Collection auch die Männer zum Stoff. Yung Hurn trägt nicht umsonst den detlefischen Oberlippen Flaum.
Dabei war die Realität alles andere als ein gewählter Lebensstil.
1987 - Über zwei Monate führten Horst Riecke und Kai Hermann, Stern -Reporter, Tonbandaufnahmen mit der 16-jährigen Christiane F., die zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren aufgrund ihrer Heroinsucht am Kinderstrich (Bahnhof Zoo) anzutreffen war. Sie reflektierte über die Schwierigkeit des Lebens – systematische Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Kapitalismus. Das Vorurteil des ungebildeten Junkies, den man abschreiben muss, widerlegte sie.
Das Originalmanuskript wollte kein Verlag haben, es sei ein Minderheitenthema. Dabei entsprach es höchstwahrscheinlich zu sehr der Wirklichkeit. Kai Hermann erklärte in einem Interview, dass der wahre Grund warum Christiane F. den Absprung aus dem Drogensumpf schaffen wollte eine Vergewaltigung von mehreren Männern war.
Diese Szene glorifiziert keinen Lifestyle. Deshalb wurde sie gestrichen. Das Buch vom Stern selbst publiziert, ohne die Rücksprache mit den Verfassern. Es wurde ein Erfolg.
Dieser nostalgische Traum verlangt seine Befriedigung in der Gegenwart. Der Meinung ist zumindest Amazon Prime und Iris Berbens Sohn, der im Vorstand von Constantin Film sitzt und die Neuadaption als Serie verfilmt.
Ohne Blick auf die nächste Generation und ihr Momentum. Sie müssen sich mit einer vereinfachten Replikation unserer Vergangenheit zufriedengeben. Vereinfacht in Form von noch mehr Leichtigkeit. Der stilistische Bruch der Neuadaption zeigt keine Kinder, sondern hippe Berliner Jugendliche, wie man sie jetzt generisch auf Social Media findet. Szenen, in denen die Clique die Straße zum Catwalk umfunktioniert, untermalt mit Indie-Musik aus 2005. Santogold läuft während die Freier am Babystrich mit den Autos vorbeifahren. Detlef wird zu Benno umbenannt.
Die alte Version ist der neuen Generation nicht zumutbar, denn selbst uns war die wahre Geschichte von Christiane F. nicht zumutbar.
Wir sitzen fest in einem schematischen Ablauf, alles ist repetitiv. Es wird alles zerkaut, ausgespuckt und gilt als neues Kreatives. Obwohl noch mehr Weichzeichner verwendet werden, es könnte uns doch sonst triggern. Die Jungend wird nicht herausgefordert selbstständig zu existieren, geschweige denn, gegen die vorgegebenen Werte, der nicht mehr alternden Gesellschaft zu rebellieren. Es wird das Selbe konsumiert wie vor 20 Jahren, nur neu verpackt. (Adaptiert für die gegenwärtige politische Propaganda, um den Status Quo zu erhalten.)
In diesem sich wiederholenden Prozess haben wir unsere Freiheit schon längst aufgegeben von der auch die Kinder vom Bahnhof Zoo geträumt haben und die Kreativität ist mit ihr verschwunden.
Darum tut es weh, just for one day.
Erste Fassung von 20.Dezember 2020. Überarbeiter am 2. März 2021 von Johanna Suryanto
Quellen: https://www.tip-berlin.de/kultur/buecher/zu-besuch-bei-wir-kinder-vom-bahnhof-zoo-autor-kai-hermann/